SÜDWESTRUNDFUNK
SWR2 Wissen – Manuskriptdienst
Rio hinterm Zuckerhut
Autorin: Gudrun Fischer
Redaktion: Detlef Clas
Regie: Günter Maurer
Sendung: Montag, 27. Mai 2013, 8.30 Uhr, SWR2 Wissen
Wiederholung: Montag, 2. Juni 2014, 8.30 Uhr, SWR2 Wissen
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Dieses Manuskript enthält Textpassagen in [Klammern], die aus Zeitgründen in
der ausgestrahlten Sendung gekürzt wurden.
1
MANUSKRIPT
Atmo 1: Helikopterlärm, Schüsse, Stimmen
Cut 1: Denis Elvis
Eles passaram aqui por cima. Caiu lá para tráz. Não deu para ver porque a gente se
esconde, né. Não tem como a gente ficar a vista de ninguem. Porque é a guerra
rolando a gente tem que se esconder. Dentro de casa, o único lugar mais seguro que
tem para se esconder, ou na rua. Aqui teve muita morte, muita guerra aqui. Muita.
Übersetzer:
Sie sind über mein Haus geflogen. Dann ist der Hubschrauber abgeschossen worden.
Ich konnte es nicht sehen, denn ich musste mich verstecken. Das sicherste Versteck ist
das Haus. Wer sich auf der Straße befindet, hat Pech gehabt und muss in Deckung
gehen. Hier gab es schon viele Tote und viele Bandenkriege.
Ansage:
Rio hinterm Zuckerhut
Eine Sendung von Gudrun Fischer
Atmo 1: Helikopterlärm, Schüsse, Stimmen (bleibt noch unter dem ersten Text stehen)
Sprecherin:
Im Oktober 2009 versucht die Militärpolizei von Rio de Janeiro, den Bandenkrieg in der
Favela “Morro dos Macacos” zu beenden. Dabei schießen die Drogenhändler einen
Polizeihubschrauber ab. Es sterben darin zwei Militärpolizisten. Insgesamt kommen bei
dem Polizeieinsatz zwölf Menschen ums Leben. Ein Jahr später soll alles anders
werden. Eine “UPP”, eine “polizeiliche Befriedungseinheit”, wird in der Favela Macacos
eingerichtet. Favela ist der brasilianische Ausdruck für Armensiedlung.
Atmo 2 Straßengeräusch am Morro dos Macacos, Stimmen, Schritte
Sprecherin:
In Brasilien gibt es zwei Arten von Polizei: Die Zivilpolizei und die Militärpolizei. Beide
haben kein hohes Ansehen. Mit der anders geschulten Militärpolizei in den
Befriedungseinheiten soll in den Favelas neues Vertrauen geschaffen werden. Denn
Rio de Janeiro will bis zum Beginn der Fußballweltmeisterschaft 2014 die Gewalt in der
Stadt drosseln.
Die Militärpolizistin Driéle Rodrigues hat den Rang einer einfachen Soldatin, einer
„soldada“, wie es in Brasilien heißt. Sie durchlief eine sechsmonatige Ausbildung,
vorher war sie Grundschullehrerin. Polizistin Driéle Rodrigues arbeitet seit über zwei
Jahren in der Befriedungseinheit vom Morro dos Macacos.
Cut 2: Driéle Rodrigues
Patrulhamento de moto, isso aqui é rotina, para observar se está acontecendo alguma
coisa, eles passam de moto por dentro do parque. Este parque é da prefeitura, ficou
durante muito tempo abandonado. Agora depois da UPP teve a reviguração do parque.
Era o Jardim Zoológico. É uma Vila Olympica, na verdade é um lugar de prática de
esporte, tem uma piscina para natação.
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Übersetzerin:
Unser Alltag sind Patrouillen. Wir beobachten die Lage in der Gemeinschaft. Wir fahren
auch durch den Park unten an der Straße. Es ist der ehemalige zoologische Garten von
Rio. Der Park war jahrzehntelang geschlossen und verfallen. Erst mit der
Befriedungseinheit wurde der Park wieder restauriert. Sogar eine Sportanlage mit
Schwimmbad wurde gebaut.
Sprecherin:
Die Favela „Morro dos Macacos“ liegt in der nördlichen Zone von Rio de Janeiro. Eine
Stunde Busfahrt ist sie vom berühmten Strand Copacabana entfernt. Vor vielen
Jahrzehnten, erzählt die Polizistin Rodrigues, kamen die Menschen aus dem
Landesinneren des Bundesstaats Rio de Janeiro und aus dem armen Nordosten
Brasiliens in die Millionenstadt, um sich hier ein besseres Leben aufzubauen. Das
schwierige Leben in einer Favela in selbst errichteten Hütten ohne Trinkwasser, Strom,
Müllabfuhr oder Schulen verbesserte sich nur langsam. Gefährlich wurde es in den
1980er-Jahren, als Drogenbanden die Siedlungen zunehmend als Rückzugsorte
nutzten und die Polizei versuchte, dagegen vorzugehen. In dieser Zeit entstand mit dem
„Favela-Funk“ eine eigene Rapmusik. Einige Funk-Stücke erzählen vom Alltag in den
Favelas, von Rassismus und Ausgrenzung. Doch die meisten Texte verherrlichen
Waffen und verhöhnen die Polizei. Außerdem sind die Texte oft frauenfeindlich.
Im Rap, der hier zu hören ist, wird die Abschaffung der Befriedungseinheiten gefordert.
Atmo 3: Favela-Funk (beginnt schon unter dem Sprecherinnentext)
Sprecherin:
Der „Morro dos Macacos“ besteht aus drei Hügeln. Sie sind dicht mit zwei- bis
vierstöckigen Backsteinhäuschen bebaut. Eine einzige Straße schlängelt sich zwischen
den Häusern entlang. Der Name „Morro dos Macacos” bedeutet „Hügel der Affen“. Das
Wort Hügel ist in Rio de Janeiro schon immer Synonym für „Armenviertel“, genauso wie
das Wort „Favela“. So heißt eine brasilianische Kletterpflanze. Ähnlich wie die
Kletterpflanze siedelten sich die Zugewanderten in Rio de Janeiro an den Bergen an
und „kletterten diese hoch“. Favela klingt in brasilianischen Ohren meist negativ.
Allerdings kehren seit ein paar Jahren Favela-Bewohner das Bild um. Sie nennen sich
offensiv „Favelados“ und zeigen damit ihren Stolz auf ihre Herkunft. Andere Bewohner
jedoch bevorzugen den Begriff „Gemeinschaft“; auch die Polizistin Rodrigues:
Cut 3: Driéle Rodrigues
Eu acho o termo favela tem um pouco de negatividade, é bem negativo, né. Carrega
um pouco de negatividade. Hoje se pode falar tranquilamente em comunidade.
Übersetzerin:
Ich finde den Begriff „Favela“ zu negativ, er ist sehr belastet. Wir können heute besser
von Gemeinden oder Gemeinschaften sprechen.
Sprecherin:
Im Jahr 2008 gab die Regierung des Bundesstaates Rio de Janeiro die alte Strategie
zur Bekämpfung der Drogenmafia in den Favelas auf. Üblicherweise griffen die
Sicherheitsbehörden die Banden in den Favelas überraschend an, immer gefolgt von
Schießereien. Nun aber entschied sich Rio für die sogenannte „Befriedung“. Sie beginnt
mit einer militärischen Besetzung durch die Sondereinheit Bope, dem „Bataillon für
Spezialoperationen“. Das Bope benutzt Maschinengewehre und einen wendigen
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Panzer mit Namen „Carveirão“, was übersetzt „großer Totenkopf“ heißt. Nach ein paar
Wochen militärischer Besetzung der jeweiligen Favela folgt die Deeskalation. Das
Militär zieht ab, eine Befriedungseinheit – eine Polizeistation mit extra ausgebildeter
Militärpolizei – hält Einzug. Grund für das Umdenken der Behörden ist nicht nur, dass in
Brasilien 2014 die Fußballweltmeisterschaft stattfindet und Rio ein Austragungsort ist.
Zwei Jahre später kommen auch noch die Olympischen Sommerspiele nach Rio de
Janeiro. Da soll Rio sicher für die Gäste sein. Und so werden nun Monat für Monat 500
frisch ausgebildete Militärpolizistinnen und Polizisten in die neuen Befriedungseinheiten
geschickt. Der Gouverneur des Bundesstaates Rio de Janeiro, Sérgio Cabral, möchte
spätestens zu den Olympischen Spielen 2016 die Zahl der Militärpolizisten von 39.000
auf 60.000 erhöhen. Die neue Polizeistrategie wirke sich bereits aus, sagt Polizistin
Rodrigues.
Cut 4: Driéle Rodrigues
A frequencia escolar aumentou muito depois da pacificação. As ciranças podem
frequentar agora diáriamente as escolas sem problemas de ter de sair mais cedo
porque mandou fechar. E o tráfego tinha destas coisas antigamente na comunidade. A
gente consegue trabalhar num local que você tem o direito de transitar livremente sem
o perigo de estar no meio de um tiroteio.
Übersetzerin:
Die Kinder gehen seit der Befriedung regelmäßiger in die Schule. Sie müssen keine
Umwege mehr machen, weil etwa die Drogenbosse oder die Polizei eine Gasse
gesperrt haben. Wir alle können hier in der Gemeinschaft nun in Frieden unseren
Aufgaben nachgehen, ohne dass wir Angst haben müssen, in eine Schießerei zu
geraten.
Sprecherin:
Am Ausgang des Schwimmbads unterhalb des “Morro dos Macacos” steht Morgana
Neves. Sie ist auf dem Hügel geboren und findet die Neuerungen in ihrer Favela ein
gutes Zeichen.
Cut 5: Morgana Neves
Eu faço hidro e meu bebe faz natação e minha filha faz balé. Tem um lanche para as
crianças, para adultos também. Está sendo legal, espero que vá a frente porque nada
aqui neste lugar vai para a frente. Melhorou muita coisa. Tinha muito tiroteio, a gente
não vê.
Übersetzerin:
Ich mache Wassergymnastik und mit meinem Baby gehe ich hier schwimmen. Meine
größere Tochter hat Ballettunterricht. Die Kinder und auch wir Erwachsene bekommen
einen Imbiss. Das ist nicht schlecht und ich hoffe, dass es hier bergauf geht, denn es
ging immer bergab. Wenigstens erlebe ich keine Schießereien mehr.
Sprecherin:
Polizistin Rodrigues startet ihre tägliche Patrouille durch Macacos. Hier leben etwa
30.000 Menschen, die Armut und die Enge sind typisch für Favelas. Die Tour der
Polizistin beginnt an einer einsamen Parkbank auf einem dreieckigen, zementierten
Platz. Die Polizistin senkt ihre Stimme. Niemand ist in der Nähe, trotzdem schaut sie
sich um, bevor sie spricht.
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Cut 6: Driéle Rodrigues
Antigamente era uma piscina. Era uma piscina do tráfego. Era uma piscina que eles
usavam para tomar banho quando eles queriam, não era uma piscina que tinha assim
estruturas, seguras, era fundo demais, era um lazer mas não tinha cuidado nenhum. Aí
depois da UPP construiu uma praça por cima.
Übersetzerin:
Das war früher ein Schwimmbad der Drogenleute. Sie entspannten sich hier, wann
immer sie wollten; das Bad war nur für sie. Es war illegal gebaut, zu tief, unhygienisch,
ohne Sicherheitsvorkehrungen. Als die Befriedungseinheit aufgebaut wurde, ließen wir
das Becken zuschütten und zementierten den Platz.
Atmo 4: Vor dem Gesundheitsposten, Stimmen
Sprecherin:
Die Tour führt am Gesundheitsposten vorbei. Vor der Tür hat sich eine Schlange
gebildet. Die Menschen warten auf ärztliche Versorgung. Die Gesundheitsagentin,
sagen sie, mache Hausbesuche. Der Weg den Hügel hinauf wird immer steiler. An einer
Stelle sind die Ruinen eines abgerissenen Hauses zu sehen. Eine dicke Ratte flitzt über
den Schutt.
Cut 7: Driéle Rodrigues
Chegando aqui no Rio, tipo migrante, vindo de outro estado para cá, eu acho que não,
aqui não. Mas tem os parentes de quem morar aqui, acaba construindo aqui mesmo. A
filha que tem um filho, ela vai morar na casa da mãe, ela vai fazer mais um andar.
Übersetzerin:
Die Armutsmigration nach Rio de Janeiro gehört der Vergangenheit an. Aber die
Bevölkerung wächst trotzdem. Wenn die Tochter ein Kind bekommt, bleibt sie bei der
Mutter und baut ein neues Stockwerk auf das Dach des Häuschens.
Übergang von Atmo 2 zu Atmo 3: Funkmusik
Sprecherin:
Der Blick von der Kuppe des Hügels auf den Stadtteil Vila Isabel ist hübsch. Unten
stehen vornehme Hochhäuser. Dazwischen schattige Plätze mit Bäumen. An vielen
weiteren Hügeln stapeln sich wie Streichholzschachteln die typischen FavelaBacksteinhäuschen. Die Gesundheitsagentin Christina Rosa kommt vorbei. Sie lebt seit
19 Jahren in Macacos. Wer für den Gesundheitsposten arbeitet, muss auch in der
Gemeinde leben, sagt sie.
Cut 8: Christina Rosa
Já melhorou muito. A gente trabalha com a família. A gente não trata só um individuo, a
gente trata a familia toda, como um todo. Temos muito hipertenção na comunidade. Por
causa do estress. A hipertenção vem, os habitos alimentares mesmo, o estresse, a
violência toda que passamos aqui durante muito tempo.
Übersetzerin:
Gesundheitlich geht es den Leuten seit der Befriedung besser. Wir behandeln nicht nur
die einzelne Person, uns geht es um die Gesundheit innerhalb der gesamten Familie.
Die Leute leiden hier vor allem unter Bluthochdruck. Wegen des Stresses. Natürlich
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auch wegen der schlechten Ernährung, aber hauptsächlich ist es die Folge der Gewalt,
die wir hier ertragen mussten.
Sprecherin:
Eigentlich stehe es ihr nicht zu, Details über die Probleme der Gemeinschaft zu
verraten, sagt die Gesundheitsagentin. Dann schaut sie sich um, als wären auch hier
noch ein paar Drogenleute in der Nähe. Es ist niemand da. Christina Rosa holt aus:
Cut 9: Christina Rosa
Muita briga, coisa que a gente não via antes, eu acho que realmente isto retrata o que
é lá fora, o que a gente costuma ver na televisão. Eu acho que as brigas depois que
saiu, como é que posso dizer. Não, eu não uso esta palavra, eu uso os meninos, as
brigas começaram muito. Eu não gosto de usar esta palavra, eu não conseguia ver
eles, se eles fazerem uma coisa errada é eles com deus a minha percepção é outra.
Agora está tendo muitas brigas bobas, esta semana abriu uma briga horrível. Coisas
que não existiam. Briga assim de pessoas, trabalhadores, pessoas comuns, antes não
existia, porque hoje existe? Eu não sei o que está faltando, não cabe a mim, eu me
pergunto. Hoje a gente ve mais violência doméstica. Ve muito mais violência doméstica
do que via antes, eu ando a comunidade toda e antes eu não conseguia ver isto e hoje
a gente ve. Para tudo tem explicação. Se eu pudesse mudar a situação a gente
mudava, mas não é a gente que tem que mudar. E nem o pessoal da UPP. Até faca
tem hoje. Morreu, pouco tempo atrás uma pessoa aí. Entendeu. Por briga. Foi do lado
de lá.
Übersetzerin:
Hier gibt es jetzt viel Streit. Etwas, was wir früher nie hatten. Ich glaube, jetzt haben wir
das, was es da draußen schon immer gab. Was wir sonst immer über das Fernsehen
zu Gesicht bekamen. Ich denke, die Konflikte haben zugenommen, nachdem die
„schweren Jungs“ weggejagt wurden. Ich nenne sie nicht „Verbrecher“ oder
„Drogenbanditen“. Ich sehe sie nicht so. Wenn sie etwas falsch gemacht haben,
müssen sie sich vor Gott verantworten. Jedenfalls, jetzt gibt es mehr Schlägereien als
früher. Einfach so, zwischen unseren Leuten, zwischen normalen Arbeitern. Ich weiß
nicht, was ihnen fehlt. Und es gibt auch viel mehr Gewalt gegen Frauen. Ich laufe schon
immer durch die ganze Gemeinde. Aber so viele massive Konflikte wie jetzt habe ich
nie zuvor gesehen. Es gibt sicher eine Erklärung, und wenn ich etwas ändern könnte,
würde ich das gerne tun. Aber nicht einmal eine Polizistin der Befriedungseinheit kann
das ändern. Wir haben jetzt sogar Messerstechereien. Vor Kurzem kam hier jemand
durch ein Messer zu Tode!
Sprecherin:
Gefragt, was der Grund für die größere Aggression auf dem Hügel sei, zuckt Polizistin
Rodrigues die Schultern. Sie möchte sich dazu nicht äußern.
Atmo 3: Funkmusik ein wenig stehen lassen
Sprecherin:
Eine ganz andere Favela als „Morro dos Macacos“ ist „Vidigal“. Vidigal gehört zu den
malerischsten Orten von Rio de Janeiro. Auf vielen Postkarten ist der Hang mit seinen
Favela-Häuschen abgebildeten. Der steile Berg von Vidigal fällt direkt in den Atlantik
und ist eingeklemmt zwischen zwei prominenten Stränden. Die Menschen in Vidigal
leben nah an ihren Arbeitsplätzen in den Stadtteilen Ipanema und Leblon. Viele
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staatliche Favela-Programme wurden den Menschen hier in den letzten Jahren
angeboten, berichtet Jorge Melezes. Der Peruaner lebt seit zwei Jahren in Vidigal, wo
er eine kleine Jugendherberge verwaltet und Tanzfeste organisiert. Vidigal war früher
einer der berüchtigtsten und gefährlichsten Orte von Rio de Janeiro, wo eine brutale
Drogenbande das Sagen hatte, erzählt Menezes. Erst vor ein paar Monaten bekam
Vidigal eine Befriedungseinheit. Für die Zunahme an Gewalt trotz Befriedungseinheit
bietet der Herbergsleiter eine Erklärung:
Am Ende des Textes geht die Atmo 2 über in:
Atmo 5: Vögel zwitschern, der Wind rauscht ein wenig
Cut 10: Jorge Melezes
Digamos que o contrôle social, o controle que os traficantes exerciam na comunidade
era baseado em regras, e regras impostas por eles e não necessáriamente dentro do
códego da legislação brasileia. E dá talvez um medo de desafiar estas leis que
mantinham a ordem. De uma outra forma a tranquilidade, a paz, a aparência de não
violência era perceptível para qualquer pessoa e eu imagino que se, como o ditado diz,
quando o gato não está, o rato brinca, então o fato das pessoas do Morro dos Macacos
não terem mais alguem que vigia, ou que fiscaliza o comprimento destas leis faz com
que eles extravazem suas frustraçoes e comecem a se agredir, ou se tornarem
agressores. Isto é um processo talvez de reação psicológica para o que chamamos
ordem ou desordem.
Übersetzer:
Die soziale Kontrolle, die die Drogenbosse in den Gemeinschaften ausübten, beruhte
auf Regeln. Es waren nicht unbedingt die Regeln, die im brasilianischen Gesetzbuch
stehen, aber an diese Regeln wurde sich gehalten. Und das ist jetzt weg. Nun scheinen
die Ruhe, der Frieden, die vordergründige Abwesenheit von Gewalt die Leute zu
verunsichern. Sie kennen sicher den Spruch: „Wenn die Katze weg ist, tanzen die
Mäuse auf dem Tisch.“ Die Leute auf dem Hügel des Macacos haben niemanden mehr,
der sie überwacht. Und deswegen leben sie ihre Frustrationen aus und fangen an,
miteinander zu streiten. Sie werden selbst zu Aggressoren. Vielleicht ist das eine
psychologische Reaktion auf die fehlende alte Ordnung.
Sprecherin:
Allerdings sieht Jorge Melezes dieses Gewaltproblem auf seinem Hügel nicht. Dabei
leben in Vidigal 70.000 Menschen auf engstem Raum. Es sind mehr als doppelt so viele
wie in der Favela „Morro dos Macacos“. Er findet alles in seiner Favela spannend.
Früher sei der reichere Teil der Bevölkerung von Rio de Janeiro gegen die Armen
gewesen, sagt er. Die Favelas waren nicht auf Stadtplänen verzeichnet, die Straßen
darin hatten keine offiziellen Namen, kein Bus fuhr dorthin, sondern allenfalls daran
vorbei. Das alles ändert sich langsam.
Atmo 5 (Vögel zwitschern, Wind rauscht) kurz frei stehen lassen
Sprecherin:
In Rio de Janeiro gibt es schätzungsweise 1.000 Favelas. Insgesamt sollen bis zum
Beginn der Fußballweltmeisterschaft im Juni 2014 vierzig Befriedungseinheiten stehen.
Jede Einheit deckt zwar mehrere Favelas ab; allerdings reicht das Geld, das die Stadt
in die Befriedung steckt, nur für zehn bis zwanzig Prozent aller Favelas. Davon werden
ungefähr 300.000 Bewohnerinnen und Bewohner profitieren. Die exakte
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Bevölkerungszahl von Rio ist nicht genau bekannt. Die Angaben schwanken zwischen
acht und elf Millionen. Davon lebt ein Drittel in Favelas. Das sind drei bis vier Millionen
Menschen. Aber es gibt Unterschiede, so Jorge Melezes.
Cut 11: Jorge Melezes
Eu acho que aqui o Vidigal é um lugar priveligiado, porque tem uma vista linda que
hypnotisa qualquer um. A maioria de crianças está sendo atendida por programas de
alguns projetos, de praia, de todos os esportes, disciplinas, balé, natação. O nível de
pobreza aqui no Vidigal é pequeno embora as casas ha vinte anos atrás tenham sido
de pedaços de latão, papelão hoje a sua grande maioria são de material nobre. A
maioria tem ar condicionado, tem água encananda cem porcento.
Übersetzer:
Ich finde, Vidigal ist ein privilegierter Ort. Wir haben hier eine hypnotisierende Aussicht.
Die meisten Kinder werden von irgendeiner nichtstaatlichen Organisation betreut, sie
können unten am Strand schwimmen und Sport machen. Wir haben in Vidigal wenig
Armut. Vor 20 Jahren sah es hier anders aus, da waren die Häuser aus Pappe und
Blech. Aber die meisten haben jetzt Backsteinhäuser. Überall gibt es fließend Wasser
und sehr viele Leute besitzen eine Klimaanlage.
Atmo 5 geht über in Atmo 2, ein wenig frei stehen lassen
Sprecherin:
Zurück zum weniger privilegierten „Morro dos Macacos“ und der Patrouille von Polizistin
Rodrigues. Sie trifft Denis Elvis vor seinem Haus. Er ist 32 Jahre alt und lebte ein paar
Jahre “unten, an der Straße”, wie er es ausdrückt; in einem sogenannten “normalen”
Stadtteil. Er verdiente gutes Geld mit dem Verleih von Hüpfburgen an den Stränden
Copacabana und Ipanema. Aber dann ging seine Ehe schief, er verließ Frau und Kinder
und kehrte in das Haus seiner Mutter auf dem Hügel Macacos zurück. Er fühlt sich
immer noch wohl hier, obwohl das Häuschen klein und windschief ist, sagt er. Viel
müsse sich noch verbessern:
Cut 12: Denis Elvis
Em questão de iluminação, Cedae, demolição, que eles estão demolindo muitas casas
alí para cima. Geralmente quando chove no alto morro os entulhos descem. Uma casa
custava aqui cinco mil, hoje em dia ela custa quinze, custa vinte. Tem casa até de 50
mil aqui no morro. Dois quartos, sala, cozinha e banheiro. O valor subiu bastante, até
em termos de aluguel, aluguel você achava de cem reais, hoje em dia você acha de
400.
Übersetzer:
Wir brauchen bessere Beleuchtung, wir wollen endlich überall fließendes Wasser. Der
Schutt der Häuser, die wegen der Hangrutschgefahr abgerissen werden, reißt bei
Regen alles mit hinunter. Hier ist übrigens seit der Ankunft der Befriedungseinheit das
Wohnen teuer geworden. Ein Häuschen kostete früher 5.000 Reais, etwa 2.000 Euro.
Heute zahlen die Leute 10.000 Euro. Und erst die Mieten! Wer früher 100 Reais für ein
Zimmer kassierte, verlangt heute 400.
Sprecherin:
Die Polizistin Rodrigues beendet ihren Rundgang am Sitz der Militärpolizeieinheit. [Hier
beugt sich ihr Chef, Oberleutnant Felipe Barreto, über einen kleinen Schreibtisch.
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Cut 13: Felipe Barreto
Foi pacífico a entrada aqui da polícia foi pacífica, não teve confronto, foi tranquilo. Aqui
quando a polícia chegou foi noticiado na imprensa que a polícia ia ocupar o Morro dos
Macacos e quando a polícia chegou não tem mais marginais ostentando arma de fogo.
Übersetzer:
Es gab bei unserem Einzug keine Probleme, alles verlief friedlich, ohne Schießereien.
Der Tag der Ankunft der Militärpolizeieinheit wurde vorher in den Medien bekannt
gemacht. Und seit diesem Tag zeigen sich keine Drogenleute mit Schusswaffen in der
Hand auf der Straße mehr.
Atmo 1: Helikopterlärm, Schüsse, Stimmen
Übergang zu Atmo 3 Funkmusik
Sprecherin:
Oberleutnant Barreto erinnert an die Besetzung der großen Favela “Complexo do
Alemão” im Jahr 2010. Es gab Schusswechsel mit drei Toten. Viele der Drogenhändler
flüchteten über die Hügel und die Kanalisation. Das sei in Macacos nicht passiert.] Sie
[Die Polizistin Rodrigues] gibt zu, dass die Gewalt der Drogenbanden, sobald sie sich
neu organisiert haben, fortbestehen wird. Bereits nach wenigen Jahren
“Befriedungsarbeit” zeigen die Gewaltstatistiken, dass sich die Verjagten in anderen
Stadtteilen von Rio de Janeiro einrichten. Trotzdem scheint die Rechnung für Rio de
Janeiro aufzugehen: Die Statistik zeigt weniger Gewaltdelikte und weniger Tote. Auch
wenn, wie in diesem Funk-Musik-Stück, die Abschaffung der Befriedungseinheiten
gefordert wird.
Atmo 3: Funkmusik, bis Cut 17
Sprecherin:
Die Soziologin und Geografin Veronika Deffner von der Technischen Hochschule
Aachen führte in einigen Favelas im Nordosten Brasiliens qualitative Studien durch.
Sogenannte Megacitys, die über 10 Millionen Menschen beherbergen, sind in Brasilien
gewissermaßen zweigeteilt. Sie bestehen aus privilegierten und benachteiligten
Vierteln. Letztere sind die Favelas, wo der Staat keine Infrastruktur wie Straßen oder
Abwasser stellt. Dass die Menschen aus beiden Teilen voneinander abhängig sind,
dass sich beide Systeme gegenseitig stützen, sei in Brasilien hinlänglich erforscht, sagt
die Soziologin Deffner. Sie fragte in ihrer Arbeit, was das Zusammenleben stabilisiert.
Cut 14: Veronika Deffner
Die Studie hat die Alltagsrealität innerhalb der Favela untersucht und hat gezeigt, dass
die Favela ein starker, identitätsstiftender Ort und Lebensmittelpunkt für die Bewohner
ist. Sie sind vor allen Dingen geschützt vor Stigmatisierung, vor rassistischer
Diskriminierung, sie sind tatsächlich unter sich, wie sie es immer bezeichnen. Die viel
gefürchtete Gewalt, die immer von der Favela auszugehen scheint, die ist eher als
gering zu bezeichnen. Und man hat schon viele Einschusslöcher auch gesehen in den
Wohnhäusern. Und nach der Dunkelheit ist die Mehrheit der Bewohner auch nicht mehr
auf die Straße gegangen.
Sprecherin:
Die Gewalt, so Veronika Deffner, richtete sich eher nach innen. Und nun ziehen die
Drogenbanden weiter:
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Cut 15: Veronika Deffner
Mit diesen Befriedungseinheiten und mit dieser hohen Polizeipräsenz sind ganz viel von
dem Drogenhandel mittlerweile in die Peripherie des Drogenhandels verlagert. Also in
den Nordosten; Recife, Salvador hat deutliche Anstiege von Gewalt, Kriminalität, und
vor allen Dingen drogenbedingter Kriminalität.
Sprecherin:
Salvador und Recife sind Millionenstädte im Nordosten Brasiliens, mehr als 2.000 km
von Rio de Janeiro entfernt. Doch auch in Rio agieren weiterhin Drogenbanden, weiß
Oberleutnant Barreto. Dreißig Personen ließ er auf dem Hügel Macacos in den letzten
zwei Jahren festnehmen. Doch früher gab es weit mehr Kriminalität.
Cut 16: Felipe Barreto
Teve a queda da aeronave que começou numa guerra de traficantes no Morro de
Macacos com o morro vizinho que é o Morro de São João que também está ocupado
por uma UPP. Uma série de fatores de violência no passado que fez com que a
Secretaria de Segurança colocasse o Morro de Macacos na estratégia de pacificação.
A ADA. Amigos dos Amigos. São 228 policiais militares, trabalhando em turno, diurno e
noturno. Eles saiem do nosso centro de formação, passam por um estágio de duas
semanas, estágio específico para atuar em UPP. Eles aprendem tecnicas de manuzeio
e operaçoes não letais, ármas e munição não letais, eles fazem curso específico de
direitos humanos. Aqui é enfatizado a questão da polícia da proximidade.
Übersetzer:
Als hier der Hubschrauber abgeschossen wurde, herrschte die Drogenbande
„Kommando der Freunde der Freunde“. Sie führte einen Krieg um die Vorherrschaft auf
dem Nachbarhügel „Morro de São João“, der zu einer anderen Drogengruppe gehörte.
Dort patrouilliert nun auch eine Befriedungseinheit. Seitdem sind die Banden
verschwunden. Hier bei mir arbeiten 228 Militärpolizisten in Tag- und Nachtschicht.
Unsere Militärpolizisten besuchen am Ende ihrer Ausbildung ein zweiwöchiges
Seminar. Dort lernen sie, Einsätze ohne tödliche Folgen zu planen, mit Waffen ohne
tödliche Munition. Sie belegen Kurse für Menschenrechte. Wir fördern die
Gemeindepolizeiarbeit, wir arbeiten nah an den Menschen vor Ort.
Sprecherin:
Noch sind die gesellschaftlichen Auswirkungen der Befriedungseinheiten nicht
untersucht. Dazu ist diese Art der Sicherheitsstrategie zu jung. Sie zeige aber keinen
neuen Ansatz.
Cut 17: Veronika Deffner
Es setzt meines Erachtens die Logik des strafenden Umgangs mit Armut und
gewaltbedingter Armut fort. Es setzte nicht dort an, dass man für die betroffenen oder
gefährdeten Jugendlichen auch Zugang zu einem gleichen Bildungssystem schafft,
dass sie nicht so sehr fasziniert und angezogen werden von dem kriminellen Sektor. Sie
setzen die aggressive Logik fort, mit der der städtischen Unterklasse begegnet wird. Die
städtische Unterklasse ist ein schwieriger Begriff, also, der städtischen Armut.
Atmo 6: Musik Orféo Negro (A felicidade von Teresa Cristina) eine Weile frei stehen
10
Sprecherin:
Die beiden Favelas „Babylônia“ und „Chapéu Mangueira“, die fast direkt hinter dem
Zuckerhut liegen, gehören ähnlich wie die Favela Vidigal zu den privilegierten Favelas
in Rio de Janeiro. Sie sind zudem klein und überschaubar. Gerade wegen ihrer Nähe zu
Copacabana spielten sich auch hier Bandenkriege ab. Die letzte größere Schießerei mit
zwei Toten fand im Jahr 2008 statt.
Die beiden Favelas dienten als Kulisse für den Kultfilm Orféo Negro, der 1960 den
Oskar bekam. Es ist eine mystisch unterlegte, unglücklich endende Liebesgeschichte,
in der das Leben in der Favela mit fantastischem Blick auf das Meer idealisiert wird.
Arm sind die Menschen dort, aber reich an Gefühlen, das ist in etwa die Botschaft.
Atmo 6 geht über in Atmo 3: Funkmusik
Sprecherin:
Egal wie angespannt die Stimmung auf dem Hügel ist, die Menschen gehen tagein,
tagaus zur Arbeit hinunter nach Copacabana. In diesem Stadtteil, der früher zu den
nobleren von Rio de Janeiro zählte, leben etwa 250.000 Menschen. Fast alle
Hausangestellten, Verkäuferinnen, Autowäscher, Näherinnen, Friseurinnen und
Handwerker kommen vom Hügel. Unten lebt die – in der Mehrheit weiße – Mittelschicht.
Im Jahr 2009 bekamen Babylônia und Chapéu Mangueira die vierte Befriedungseinheit
von Rio. Heute gibt es schon über 30 Befriedungseinheiten.
Atmo 3
Sprecherin:
8.000 Menschen leben in den beiden Gemeinden. Das mehrstöckige Polizeigebäude
steht weit oben am Hang. Vor den Fenstern wiegen sich Eukalyptusbäume, dahinter
schimmert das Blau des Atlantiks. Soldaten gehen ein und aus, in einem Zimmer sind
vier Stockbetten zu sehen. Heute hat der Vizechef des Bataillons der
Befriedungseinheit, Oberleutnant Hugo Coque, die Aufsicht.
Cut 18: Hugo Coque
Esta comunidade era uma comunidade que tinha a fracção terceiro comando, era uma
fracção que lucrava muito com o tráfego devido a zona sul, devido a classe alta e o
chefe do tráfego à época, ele se utilizava também de assaltos, robos a bancos, robos a
joalerias, estas instalacoes comerciais. Subiam novamente porque tinham o abrigo da
comunidade. Aqui o ato da ocupação ocorreu de uma forma tranquila. Tinha a
operação do batalhão de choque, ficou permanente por cerca de duas a três semanas.
Para localizar pontos que ainda existiam armas escondidas, drogas escondidas,
localizar pessoas que estavam com mandato de prisão, pessoas procuradas
criminosas. Aqui tinha principalmente o monopólio da venda de gas, a televisão a cabo
que era pirata e serviço de internet que era pirata também.
Übersetzer:
Hier herrschte die Drogenbande „Das dritte Kommando“. Sie verdiente viel am
Drogenhandel mit den Reichen hier in der Südzone von Rio de Janeiro. Der Chef der
Bande ließ auch Banküberfälle, Überfälle von Schmuckgeschäften und Raub in anderen
Geschäften durchführen. Danach stiegen die Gangster den Hügel hoch und fanden hier
Schutz. Bei der Besetzung kam die Sondereinheit „Bope“ und blieb drei Wochen. Sie
durchkämmte alles, um die vergrabenen Waffen, die versteckten Drogen und flüchtige
Vorbestrafte zu finden. Vorher gab es ein Monopol für Kochgasflaschen.
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Kabelfernsehen und Internetanschlussleitungen waren illegal und wurden von den
Verbrechern vermietet.
Sprecherin:
Pro Schicht patrouillieren 20 bis 25 Polizisten auf den beiden Hügeln. Insgesamt
besteht das Bataillon aus etwa 90 Leuten. [Doch wie soll der Drogenhandel verhindert
werden, wenn die Händler einfach in die nächste Favela umziehen?
Cut 19: Hugo Coque
Quando sai um marginal da sua comunidade de criação ele vai chegar em outra
comunidade sem o prestigio, ele vai chegar sem arma, ele vai chegar sem a sua fama
no território. Ele não tem o poder que ele tinha antigamente. Então fica muito mais fácil
da Polícia Militar atuar e deixar vamos dizer acuados estes marginais.
Übersetzer:
Wenn der Bandit aus seiner angestammten Gemeinschaft flieht, wird er in eine andere
Favela kommen und dort kein Ansehen mehr genießen. Er wird ohne Waffen kommen,
er hat kein Territorium, wo er Drogen verkauft. Es ist für uns dann einfacher, diesen
Verbrecher in die Enge zu treiben.]
Sprecherin:
Oberleutnant Coque ist zufrieden. Einige seiner Polizisten geben in der neu gebauten
Sporthalle Informatikunterricht, lehren Gitarre oder Schach. Doch zivilgesellschaftliches
Engagement gab es in den Favelas Chapéu Mangueira und Babylônia bereits vorher,
erzählt César Zerbenato. Er ist gewählter Präsident der Einwohnervereinigung. Zudem
ist er Chef der Kooperative für die Aufforstung – das Aushängeschild des Hügels.
Cut 20: César Zerbenato
Veio uma pessoa aqui e falou, poa, vocês tem escola, associação, tem coperativa?
Eles achavam que a gente era bagunça. Nós somos organizados, nós temos os nossos
projetos caminhando, devagarinho mas caminhando. Hoje em dia está um pouco mais
acelerado.
Übersetzer:
Einmal sagte eine Besucherin: „Was, ihr habt hier eine Kindertagesstätte, eine
Einwohnervereinigung, eine Öko-Kooperative?“ – Sie dachte, hier wäre das komplette
Durcheinander. Dabei haben wir Projekte, es geht voran. Im Moment geht alles sogar
noch ein bisschen besser voran.
Atmo 7: Spaziergang auf den Hügel, Hunde Hahn, Hacke
Sprecherin:
Wenn die Öko-Kooperative früher Führungen hinauf auf den Hügel organisierte,
mussten sie die Drogenbosse fragen, ob sie den Durchgang genehmigten. Heute sind
fünf Männer angestellt, um den Hügel aufzuforsten.
Atmo 7 (hier das Hackgeräusch hochziehen)
[Sprecherin:
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Kelly de Souza Correia arbeitet für die Stadt Rio als Umweltbeauftragte. Sie ist 30 Jahre
alt und in Babylônia geboren. Sie sammelt altes Bratöl ein, das dann zu Biodiesel
verarbeitet wird. Auch um den Müll kümmert sie sich.
Cut 21: Kelly de Souza Correia
É conscientizar os moradores á colocar o lixo nos lugares certos, né, fazer uma
educação sobre o meio ambiente, não desmatar, sobre o lixo, sobre a Dengue, estar
fechando as caixas d'água direitinho. O rato é veneno mesmo, fazem muito buraco.
Übersetzerin:
Ich kläre die Leute auf, wo sie ihren Müll hinbringen sollen. Ich sage Ihnen, dass sie das
Wäldchen da oben nicht abholzen dürfen. Dass sie ihre Wasserreservoirs auf den
Dächern abdecken müssen, damit sich die Denguefiebermücke nicht ausbreitet. Gegen
die Ratten, die es hier gibt, hilft nur Gift, das ich in ihre Nester werfe.
Sprecherin:
Kelly de Souza Correia ist froh um ihren Job in der befriedeten Favela.] Doch wie
nachhaltig wird das bessere Leben in einigen Favelas von Rio sein, fragt Soziologin
Veronika Deffner:
Cut 22: Veronika Deffner
Ist das so ein kurzzeitiges Versprechen, was viele Bewohner auch erst mal beruhigt?
Sie kriegen sehr viel Aufmerksamkeit, die sie vorher nicht hatten, das ist auch eine
Form von Anerkennung. Aber ich sehe es noch etwas verhalten. Weil, eine wirklich
Aussage treffen kann man, wenn die sportlichen Megaevents vorbei sind und das
Interesse nach einer guten Außenwirkung von Rio als einer sehr friedlichen Stadt
anhält.
Sprecherin:
César Zerbenato ist Optimist. Er freut sich, dass sich jetzt viele Leute auf den Hügel
trauen – und bei ihrem Besuch Geld ausgeben. Atemberaubend ist der Blick von den
Granitfelsen auf die Stadt:
Cut 23: César Zerbenato
No pico do morro nós temos 360 graus do Rio, Rio de Janeiro todo. Nós vemos o Dedo
de Deus em Teresópolis, o relógio da Central do Brasil, o Santos Drumond, o Pão de
Açúcar de frente, e mais o Christo Redentor. Pedra da Gávea, todos pontos turísticos
do Rio de um lugar só. Raro, isto é muito raro, é a vista do Pão de Açúcar com o Pão
de Açúcar.
Übersetzer:
Auf unserem Gipfel haben wir eine 360-Grad-Sicht auf Rio de Janeiro. Wir sehen die
Berge von Teresópolis, die Uhr des Bahnhofs Central do Brasil. Wir sehen den StadtFlughafen und den Zuckerhut. Außerdem den segnenden Christus, den Felsen von
Gávea. Alle touristischen Punkte sind von nur einem Aussichtspunkt zu sehen. Wir
nennen es den Blick vom Zuckerhut mit Zuckerhut.
Sprecherin:
Trotz aller Begeisterung, ein paar kritische Fragen stellt César Zerbenato doch: Warum
unternahm die Stadt nicht schon vor 30 Jahren etwas gegen die Drogenmafia in den
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Favelas? Warum gibt es Befriedungseinheiten vor allem in der Südzone von Rio, wo die
berühmten Strände und die Sportstadien für die Spiele von 2014 und 2016 liegen?
Atmo 3: Funkmusik
Sprecherin:
In den malerischen Favelas mit Blick auf die Stadt eröffneten in den letzten Jahren
Jugendherbergen, Pensionen und Restaurants. Es gibt dort ein starkes Interesse an
Immobilien dort und es ist abzusehen, dass diese Favelas eines Tages in die reicheren
Stadtviertel integriert werden. Ob sich in den vielen weniger schönen Favelas das
Leben verbessert, steht in den Sternen.
Atmo 3: Funkmusik klingt aus
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