DNotI Deutsches Notarinstitut Dokumentnummer: letzte Aktualisierung: 14104 31.01.2002 EGBGB Art. 25, 26 Portugal; Erbvertrag; portugiesisches Pflichtteilsrecht I. Zum Sachverhalt Ein deutscher Staatsangehöriger und eine portugiesische Staatsangehörige leben in nichtehelicher Lebenspartnerschaft zusammen. Der unverheiratete Mann und seine verwitwete Partnerin beabsichtigen, einen Erbvertrag zu schließen. Der Mann hat keine Kinder, seine Partnerin hat aus ihrer früheren Ehe vier Kinder. Die Beteiligten wünschen eine wechselseitige alleinige Erbeinsetzung. Soweit möglich, soll deutsches Recht zur Anwendung gelangen. II. Fragestellung 1. Welches Recht gelangt auf den vorgesehenen Erbvertrag zur Anwendung und ist der Abschluss eines Erbvertrags danach zulässig? 2. Haben die Kinder der portugiesischen Staatsangehörigen ggf. Pflichtteilsansprüche? III. Zur Rechtslage 1. Das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbare Recht a) Deutsches IPR Gem. Art. 25 Abs. 1 EGBGB richtet sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen grundsätzlich nach dem Heimatrecht des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes, vorliegend also hinsichtlich der portugiesischen Staatsangehörigen nach portugiesischem Recht und hinsichtlich ihres deutschen Partners nach deutschem Recht. Deutsches Notarinstitut • Gerberstraße 19 • 97070 Würzburg • Telefon 09 31/3 55 76-0 • Telefax 09 31/3 55 76-2 25 e-mail: [email protected] • Internet: http://www.dnoti.de ho gut 0102 r3/mae30452.doc Seite 2 Gem. Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB ist der Verweis auf eine fremde Rechtsordnung grundsätzlich als sog. Gesamtverweisung zu verstehen, so dass zunächst das IPR der berufenen Rechtsordnung daraufhin untersucht werden muss, ob es eine Rück- oder Weiterverweisung ausspricht. b) Portugiesisches IPR Art. 62 portugiesischer Código Civil (CC) bestimmt: ARTIGO competente) 62. (Lei A sucessão por morte é regulada pela lei pessoal do autor da successão ao tempo do falecimento deste, competindolhe também definir os poderes do administrador da herança e do executor testamentário. Artikel 62 Recht) (Anwendbares Die Erbfolge wird durch das Personalstatut des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes geregelt, wobei dieses auch zur Bestimmung der Befugnisse des Erbschaftsverwalters und des Testamentsvollstreckers anwendbar ist. (Text und Übersetzung aus Riering, IPR-Gesetze in Europa, 1997, S. 128 ff.). Nach Art. 31 CC ist das Personalstatut einer Einzelperson das der Staatsangehörigkeit. Portugal nimmt also vorliegend die Verweisung auf das portugiesische Recht hinsichtlich der portugiesischen Staatsangehörigen an und kommt auch aus seiner Sicht zur Anwendung des materiellen portugiesischen Erbrechts. Eine Rechtswahlmöglichkeit sieht das portugiesische Recht nicht vor. Aus der Sicht des deutschen IPR (Art. 25 Abs. 2 EGBGB) kann ein Erblasser für im Inland belegenes unbewegliches Vermögen – aber auch nur für dieses – in der Form einer Verfügung von Todes wegen deut sches Recht wählen. Die Zulässigkeit, der Inhalt und die Tragweite der Rechtswahl richten sich insoweit ausschließlich nach deutschem Recht und sind unabhängig von der Zustimmung der abgewählten Rechtsordnung (Schotten, Das IPR in der notariellen Praxis, 1995, Rn. 291). Durch eine entsprechende Rechtswahl käme es ggf. zu einer Nachlassspaltung: Die portugiesische Staatsangehörige würde aufgrund einer ent sprechenden Rechtswahl hinsichtlich ihres in Deutschland belegenen unbeweglichen Vermögens nach deutschem Recht beerbt, während es für die Beurteilung der Erbfolge in den übrigen Nachlass bei dem gesetzlichen Erbstatut, vorliegend also bei dem portugiesischen Recht als ihrem Heimatrecht bliebe. Seite 3 2. Statthaftigkeit und Form eines Erbvertrags a) Anwendbares Recht Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Erbvertrag bzw. ein gemeinschaftliches Testament zulässig ist, bestimmt sich aus deutscher Sicht nach dem Errichtungsstatut, Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB (MünchKomm- Birk, 3. Aufl. 1998, Art. 26 EGBGB Rn. 100). Maßgeblich ist danach das Recht, das zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden wäre. Die Frage der Zulässigkeit des Erbvertrags/gemeinscha ftlichen Te staments unterliegt somit gem. Art. 26 Abs. 5 i. V. m. Art. 25 Abs. 1 EGBGB dem Recht des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Testamentserrichtung angehörte, hinsichtlich des deutschen Partners also deutschem Recht, hinsichtlich der portugiesischen Staatsangehörigen portugiesischem Recht. Bei Unterschiedlichkeit der Statute - wie vorliegend werden kumulativ beide Rechte angewendet. Es entscheiden dann die Vo rschriften des strengeren Rechts (MünchKomm-Birk, a. a. O., Rn. 103). Es ist somit zu fragen, ob das portugiesische Erbrecht den Erbvertrag zulässt. Auch das portugiesische Kollisionsrecht (vgl. Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB) lässt auf die Frage der Zulässigkeit gemeinschaftlicher Testamente das Heimatrecht zur Zeit der Errichtung der letztwilligen Verfügung zur Anwendung gelangen. Dies folgt aus Art. 64 CC: ARTIGO 64. (Interpretação das disposições; falta e vicios da vontade) Artikel 64 (Auslegung der Verfügungen; Fehlen und Mängel des Willens) É a lei pessoal do autor da herança ao tempo da declaração que regula: Das Personalstatut des Erblassers zum Zeitpunkt seiner Erklärung regelt: a) A interpretação das respectivas cláusulas e disposições salvo-se houver referência expressa ou implícita a outra lei; a) die Auslegung der jeweiligen Klauseln und Verfügungen, es sei denn, es liege eine ausdrückliche oder stillschweigende Bezugnahme auf ein anderes Recht vor; b) A falta e vicios da vontade; b) das Fehlen und Mängel des Willens; c) A admissibilidade de testamentos de mão comum ou de pactos sucessórios, sem c) die Zulässigkeit gemeinschaftlicher Testamente oder von Erbverträgen, hinsichtlich Seite 4 prejuízo, quanto a estes, do disposto no art. 53.°. letzterer vorbehaltlich der Regelung des Art. 53. (Riering, a. a. O., S. 130 f.) Das portugiesische IPR beruft also ebenfalls hinsichtlich der portugiesischen Staatsangehörigen für die Frage der Statthaftigkeit des gemeinschaftlichen Testaments das portugiesische Erbrecht. b) Zulässigkeit von Erbverträgen nach portugiesischem Recht Während nach deutschem Recht gegen die Zulässigkeit eines Erbvertrages keine Bedenken bestehen (§§ 2274 ff. BGB), sind Erbverträge nach portugiesischem Recht nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Art. 2028 Abs. 2 CC bestimmt: ARTIGO 2028 contratual) (Sucessão (2) Os contratos sucessórios apenas são admitidos nos casos previstos na lei, sendo nulos todos os demais, sem prejuízo do disposto no n.° 2 do artigo 946.° Artikel 2028 Erbfolge) (Vertragliche (2) Erbverträge sind nur in den vom Gesetz vorgesehene Fällen zugelassen, wobei alle anderen nichtig sind mit Ausnahme des in Ziff. 2 des Art. 946 Vorgesehenen (Anm. der Übersetzerin: Art. 946 CC regelt die Schenkung von Todes wegen). Nach Art. 1700 CC sind Erbverträge nur als Teil eines vorehelichen Ehevertrages zulässig (Hayton, European Succession Laws, 1998, Portugal, 12.47). Ohne Eheschließung kann demnach nach portugiesischem Recht ein Erbvertrag nicht geschlossen werden. Diese Rechtsauffassung wurde uns auch auf telefonische Rücksprache von der portugiesischen Botschaft bestätigt. Der Abschluss eines Erbvertrages kommt vorliegend somit nicht in Betracht. Die Unwirksamkeit der Verfügung der portugiesischen Vertragspartnerin würde gem. § 2298 Abs. 1 BGB zur Nichtigkeit auch der Verfügung des deutschen Partners führen (MünchKomm-Birk, a. a. O., Art. 26 EGBGB Rn. 134). Seite 5 c) Form der letztwilligen Verfügung Aus deutscher Sicht findet grundsätzlich hinsichtlich der Frage der bei Testamentserrichtung einzuhaltenden Form das Haager Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom 5.10.1961 Anwendung. Art. 1a des Haager Testamentsübereinkommens lässt die Einhaltung der Ortsform genügen. Das Haager Testamentsübereinkommen findet zwar auch auf gemeinschaftliche Testamente Anwendung (Art. 4), nicht jedoch auf Erbverträge. In der Bundesrepublik Deutschland wird die Nichtgeltung des Haager Testamentsübereinkommens allerdings durch Art. 26 Abs. 4 EGBGB, der mit Art. 1 Abs. 1a des Haager Testamentsübereinkommens inhaltsgleich ist, aufgefangen. Anderes gilt aus der Sicht Portugals. Portugal ist dem Haager Testamentsübereinkommen nicht beigetreten, so dass die allgemeinen Formvorschriften des portugiesischen Kollisionsrecht zur Anwendung gelangen. Art. 65 CC bestimmt hierzu: ARTIGO 65. (Forma) Artikel 65 (Form) 1. As disposições por morte, bem como a sua revogação ou modificação, serão válidas, quanto à forma, se corresponderem as prescrições da lei do lugar onde o acto for celebrado, ou às da lei pessoal do autor da herança, quer no momento da declaração, quer no momento da morte, ou ainda às prescrições da lei para que remeta a norma de conflitos da lei local. 1. Die Verfügungen von Todes wegen sowie ihr Widerruf oder ihre Änderung sind hinsichtlich der Form gültig, wenn sie den Rechtsvorschriften des Ortes entsprechen, an dem die Rechtshandlung vorgenommen wurde, oder den Vorschriften des Personalstatuts des Erblassers, sei es im Zeitpunkt der Erklärung oder im Zeitpunkt des Todes, oder auch den Vorschriften des Rechts, auf das die Kollisionsnorm des Ortsrechtes verweist. 2. Se, porém, a lei pessoal do autor da herança no momento da declaração exigir, sob pena de nulidade ou ineficácia, a observância de determinada forma, ainda que o acto seja praticado no estrangeiro, será a exigência respeitada. 2. Wenn indessen das Personalstatut des Erblassers im Zeitpunkt der Erklärung bei Folge der Nichtigkeit oder Unwirksamkeit die Beachtung einer bestimmten Form auch für den Fall fordert, dass die Rechtshandlung im Ausland vorgenommen wird, so wird das Erfordernis beachtet. (Riering, a. a. O., S. 130 f.) Seite 6 Danach reicht für die Form des Testaments grundsätzlich ebenfalls die Einhaltung des Ortsrechtes aus, nicht jedoch, soweit das Personalstatut des Erblassers zwingend eine bestimmte Form vorschreibt (Art. 65 Abs. 2 CC). Es ist insofern für die portugiesische Staatsangehörige Art. 2223 CC zu beachten. Danach ist das von einem portugiesischen Staatsangehörigen im Ausland unter Beachtung des zuständigen ausländischen Gesetzes errichtete Testament in Portugal nur dann wirksam, wenn eine feierliche Form bei seiner Errichtung oder Genehmigung beachtet worden ist (Neuhaus/Rau, Das Internationale Privatrecht im neuen portugiesischen Zivilgesetzbuch, RabelsZ 32 (1968), 513, 524). Nach Auskunft des portugiesischen Ministerio de Justica - Direção Geral dos Registos e do Notariado - ist die nach Art. 2223 CC vorgeschriebene forma solene nur dann gewahrt, wenn das Testament unter Mitwirkung eines Vertreters der portugiesischen Bo tschaft errichtet wurde oder jedoch nachträglich von der portugiesischen Botschaft oder einem Notar in Portugal bestätigt wird. Die Errichtung eines Testaments vor einem deutschen Notar erfüllt die geforderte feierliche Form hingegen nicht (a. A. allerdings Rau, Letztwillige Verfügungen portugiesischer Staatsangehöriger in Deutschland, ZVglRWiss 80 (1981), 241, 249 f.). d) Ergebnis Grundsätzlich sind Erbverträge /gemeinschaftliche Testamente nach portugiesischem Recht nicht zulässig. Anderes könnte jedoch für einen im Ausland errichteten Erbvertrag auch unter Beteiligung portugiesischer Staatsangehöriger gelten, wenn dieser am Errichtungsort – hier also in Deutschland – als statthaft angesehen wird. Eine erhebliche Unsicherheit verbleibt allerdings insoweit. 3. Pflichtteilsansprüche bzw. Noterbrechte nach portugiesischem Recht Das Pflichtteilsrecht ist in Art. 2156 ff. CC geregelt: ARTIGO 2156 (Legítima) Artikel 2156 (Pflichtteil) Entende-se por legítima a porção de bens de que o testador não pode dispor, por ser legalmente destinada aos herdeiros legitimários. Als Pflichtteil versteht sich der Anteil an den Gütern, über die der Testator nicht verfügen kann, da sie von Gesetzes wegen den Pflichtteilsberechtigten zustehen. (eigene Übersetzung) Seite 7 Die Pflichtteilsberechtigten werden in Art. 2157 CC abschließend aufgezählt: ARTIGO 2157 legitimários) (Herdeiros São herdeiros legitimários o cônjuge, os descendentes e os ascendentes, pela ordem e segundo as regras estabelecidas para a sucessão legítima. Artikel 2157 rechtigte) (Pflichtteilsbe- Pflichtteilsberechtigte sind der Ehepartner, die Abkömmlinge und die Vorfahren, nach der Ordnung und entsprechend den Regeln, wie sie für die gesetzliche Erbfolge aufgestellt sind. (eigene Übersetzung) Der Pflichtteil des Ehegatten und der Kinder ist in Art. 2159 CC festgelegt: ARTIGO 2159 (Legítima do cônjuge e dos filhos) Artikel 2159 (Pflichtteil des Ehepartners und der Kinder) (1) A legítima do cônjuge e dos filhos, em caso de concurso, é de dois terços da herança. (1) Der Pflichtteil des Ehepartners und der Kinder beträgt im Konkurrenzfall 2/3 der Erbschaft. (2) Não havendo cônjuge sobrevivo, a legítima dos filhos é de metade ou dois terços da herança, conforme exista um só filho ou existam dois ou mais. (2) Ist kein überlebender Ehegatte vorhanden, beträgt der Pflichtteil der Kinder die Hälfte oder 2/3 der Erbschaft, je nachdem ob nur ein Kind oder zwei oder mehr Kinder existieren. (eigene Übersetzung) Der Pflichtteil der Eltern schließlich ist in Art. 2161 CC bestimmt: ARTIGO 2161 (Legítima do cônjuge e dos ascendentes) Artikel 2161 (Pflichtteil des Ehepartners und der Vorfahren) (1) A legítima do cônjuge e dos ascendentes, em caso de concurso, é de dois terços da herança. (1) Der Pflichtteil des Ehegatten und der Vorfahren beträgt im Konkurrenzfall 2/3 der Erbschaft. (2) Se o autor da sucessão não deixar descendentes nem cônjuge sobrevivo, a legítima dos ascendentes é de metade ou de um terço da herança, conforme forem chamados os pais ou os ascendentes do segundo grau e seguintes. (2) Wenn der Erblasser keine Abkömmlinge und auch keinen überlebenden Ehegatten hinterlässt, beträgt der Pflichtteil der Vorfahren die Hälfte oder 1/3 der Erbschaft, je nachdem, ob es sich um die Eltern oder um Vorfahren des zweiten oder Seite 8 nachfolgender Grade handelt. (eigene Übersetzung) Festzuhalten ist, dass über den Teil des Nachlasses, welcher für die Pflichtteilsberechtigten reserviert ist, testamentarisch nicht verfügt werden kann (Hayton, a. a. O., Portugal, Rn. 12.38). Das Testament wäre insoweit unwirksam. Es handelt sich also um ein echtes Noterbrecht. Für den Fall, dass der Partner zum Alleinerben eingesetzt würde, stünde den Kindern der portugiesischen Erblasserin ein Noterbrecht in Höhe von 2/3 des Nachlasses zu.