Rolf Kemmler (Gomaringen — [email protected]) Die Academia Orthográfica Portugueza im Lissabon der Aufklärung Leben, Werke und Aktivitäten von João Pinheiro Freire da Cunha (1738-1811) Während die relativ junge Disziplin der Geschichte der Sprachwissenschaft seit Beginn der 70-er Jahre international zunehmend auf Interesse gestoßen ist [Historiographia Linguistica seit 1973], schlief im Bereich der Lusitanistik die Beschäftigung mit diesem Forschungsbereich nach einigen wenigen Veröffentlichungen gegen Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts bis Anfang der 90-er Jahre weitgehend ein. Seither sind neben einer inzwischen ansehnlichen Zahl von Artikeln etliche Arbeiten monographischen Charakters erschienen. So gibt es zur Grammatikographie unter Anderem die umfassende Bibliographie von Cardoso (1994), die Monographien von Fávero (1996), Assunção (1997a/b/c, 2000), Schäfer-Prieß (2000), sowie die noch unveröffentlichten Habilitationsschriften von Gonçalo Fernandes (UTAD 2002) und Rogélio Ponce de León Romeo (Madrid 2000) wie auch einige Faksimile-Ausgaben älterer Grammatiken wie Bacelar (1996), Oliveira (2000), Roboredo (2002) oder Soares Barbosa (2004/2005). Der Bereich der Lexikographie wird repräsentativ abgedeckt durch die umfassenden Arbeiten von Verdelho (1981, 1995) und Messner (1976, 1990 bzw. seit 1994). Im Bereich der Orthographiegeschichte liegen an umfassenden Darstellungen die Arbeiten von Gonçalves (1992 und 2003), die noch unveröffentlichte Habilitationsschrift von Adelina Angélica Aragão Pinto Coxito (1941-1988) sowie meine 2001 erschienene Magisterarbeit vor. Unabhängig von möglichen unterschiedlichen theoretischen oder praktischen Ansätzen haben all diese Werke jedoch eines gemeinsam: sie widmen sich vor allem den Zeugnissen, die Anhand von gedruckten Ausgaben erhalten sind. Was diese Arbeiten nicht berücksichtigen - ja nicht berücksichtigen können - ist die Frage nach der Rolle der Sprache oder des Umgangs mit der Sprache in d e r Gesellschaft, in der die untersuchten Werke entstanden sind und Verbreitung fanden. Eine solche ‚Sozialgeschichte der Sprachwissenschaft’ in Portugal im Ganzen scheint für die Zeit vor dem 18. Jahrhundert unmöglich, da nicht im ausreichenden Maß Erkenntnisse vorliegen, die es erlauben würden, über Personen und Umstände sowie das konkrete soziale Umfeld Aussagen zu treffen. Durch die Existenz von umfassenden Dokumenten aus allen Bereichen vor allem ab Mitte des 18. Jahrhunderts, verbunden mit der Organisation und Professionalisierung des Unterrichts ab 1759, hingegen, wird dies möglich, da erstmals die ‚agentes do ensino’, deren didaktische und linguistische Ideen wie auch Aspekte ihres Umfelds und ihres Lebens greifbar werden. Rolf Kemmler: Die Academia Orthográfica Portugueza (Kolloquiumsvortrag) 2 Dies trifft in ganz besonderem Maß für den am 23. April 1738 geborenen und am 26. Juli 1811 verstorbenen João Pinheiro Freire da Cunha und die von ihm gegründete Academia Orthográfica Portugueza zu, die ich im Rahmen meiner Nachforschungen in historischer, kultureller wie auch sozialer Hinsicht positionieren konnte. Zum einen wird durch die vielschichtigen biographischen Informationen zu Pinheiro selbst ein Einblick in das Leben und Wirken dieses Ausnahmelinguisten des 18. Jahrhunderts möglich. Zum anderen bieten die Primär- und Sekundärinformationen Einblicke über die wichtigsten Aspekte der Funktion der Academia Orthográfica Portugueza während ihrer mindestens 42-jährigen Existenz. Um die Entstehung und die Funktionsweise der Academia Orthográfica zu begreifen, ist es zunächst unverzichtbar, sich einen Überblick über den soziokulturellen Hintergrund zu verschaffen. Schon seit Anbeginn der eigenständigen grammatikalischen Tradition in Portugal mit João de Barros ist seit 1540 die Forderung nach regelmäßigem Unterricht des Portugiesischen ein ständig wiederkehrendes Topos, das sich jedoch vor allem in den Grammatik- bzw. Orthographietraktaten niederschlug. Tatsächlich aber spielte das Portugiesische im Sprachunterricht in Portugal bis zur 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts keine Rolle, da das von den Jesuiten eifrig verbreitete Latein die einzige Sprache war, die in Portugal regulär und systematisch – und zwar als „lebende“ Fremdsprache – unterrichtet wurde. Unterrichtswerk war vor allem die 1572 erstmals erschienene lateinische Grammatik De Institutione Grammatica Libri Tres des Jesuiten Manuel Álvares, die durch ihre Aufnahme in die jesuitische Ratio studiorum (1598/99) beinahe auf der ganzen Welt zum offiziellen Lehrwerk des jesuitischen Lateinunterrichts wurde. Da die weitestgehend lateinisch verfasste Grammatik von Álvares nicht als Handbuch für den Anfänger konzipiert war, sondern vielmehr dem Gebrauch der Lateinlehrer dienen sollte, erschienen vor allem gegen Ende des 17. Jahrhunderts verschiedene Cartapácios in portugiesischer Sprache, die den Schülern die alvaristische Doktrin erläutern sollten [cartapácio, eine Art Notizbuch, das auf handschriftlichen Aufschrieben beruht]. Das zugleich wichtigste wie auch umfassendste dieser Cartapácios ist die vierbändige Arte Explicada von João de Morais de Madureira Feijó, die zwischen 1729 und 1734 in erster Auflage erschien. Dieser äußerst ausführliche Kommentar, den der Autor für seine Schüler, die Herzöge von Lafões, verfasste, erläutert die Álvares-Grammatik in portugiesischer Sprache und wurde bis in die 1750-er Jahre mehrfach aufgelegt, stellte also eine der Grundsäulen des jesuitischen Sprachunterrichts der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts dar. Mit dem 1746 anonym in Neapel erschienenen Verdadeiro Metodo de Estudar von Luís António Verney, der als Archidiakon der Kathedrale von Évora den größten Teil seines Lebens in Rolf Kemmler: Die Academia Orthográfica Portugueza (Kolloquiumsvortrag) 3 kirchlichen Diensten in Italien verbrachte (1736-1792) gewannen hingegen die modernen didaktischen Vorstellungen von Charles Rollin erstmals nachhaltig Fuß in der Diskussion in Portugal. Dieser hatte in seinem Werk De la manière d’enseigner et d’étudier les belles-lettres (1726-28) den Unterricht von Latein in der Muttersprache, wie auch der Muttersprache selbst gefordert. So war es nur folgerichtig, dass der politischen Vertreibung und Verfolgung der Jesuiten ab Januar 1759 die vom 28. Juni desselben Jahres an durchgesetzten Reformen im portugiesischen Bildungswesen zumindest teilweise den Vorschlägen von Verney folgten. Im Ergebnis wurden die Grammatik von Álvares und all ihre Kommentare, ganz besonders aber das Werk von Feijó verboten, ihre Anwendung unter Strafe gestellt - und damit auch der vierte Band dieses Werks, die 1734 erschienene Orthographie: es durften nur noch Werke verwendet waren, die nach der Methode der beiden 1752 bzw. 1741 erstmals erschienenen Lateingrammatiken in portugiesischer Sprache von António Pereira de Figueiredo sowie António Félix Mendes verfasst waren. Mit dieser Reform, in der recht detailgenau geregelt wurde, welche Werke im Unterricht zu verwenden waren, wurde allerdings noch nicht der Unterricht der portugiesischen Sprache selbst etabliert. Ein solcher Unterricht für einen minimalen Zeitraum von sechs Monaten wurde erst vorgesehen, nachdem der Grammatiker António José dos Reis Lobato beantragt hatte, dass seine im August 1770 fertig gedruckte Arte da Grammatica da Lingua Portugueza als Pflichtwerk für einen sechsmonatigen Portugiesischunterricht festgelegt werden solle, was mit der Genehmigung vom 30. September 1770 auch geschah, wie in Text 1 zu lesen ist. Sou servido ordenar que os Mestres da lingua Latina, quando receberem em suas Classes os Discipulos para lha ensinarem, os instruão previamente por tempo de seis mezes, se tantos forem necessarios para a instrucção dos Alumnos, na Grammatica Portugueza, composta por Antonio José dos Reis Lobato, e por Mim approvada para o uso das ditas Classes, pelo methodo, clareza, e boa ordem, com que he feita (Lobato 1814: [IV]). Als wenig später das Gesetz vom 6. November 1772 das Erziehungswesen nochmals reformierte, wurden die ‚Mestres de Ler, Escrever e Contar’, wie damals die Grundschullehrer hießen, verpflichtet, nicht nur die damals übrige Kalligraphie, sondern auch die Grundregeln der Orthographie und Syntax der portugiesischen Sprache zu unterrichten, wie aus Artikel 5 dieses Gesetzes in Text 2 hervorgeht: 5 Item: Ordeno, que os Mestres deLer, eEscrever, eContar, sejam obrigados aensinar naõ somente aboa formadeCaracteres; mas tambem as Regras Geraes daOrthographia Portugueza, eo que for necessario daSintaxis della; para que os seus respectivos Discipulos possam escrever correcta, e ordenadamente [...] (Lei de 6 de Novembro de 1772). Rolf Kemmler: Die Academia Orthográfica Portugueza (Kolloquiumsvortrag) 4 Nach den Worten von Pinheiro selbst ist die Gründung der Academia Orthográfica Portugueza direkt auf diesen Passus in dem Gesetz zurückzuführen, das den öffentlichen Grundschulunterricht in Portugal begründete. Tatsächlich scheint es, dass die Durchführung des königlichen Gesetzes wohl erheblich erschwert gewesen wäre, hätte es nicht Pinheiro und sein seit 1769 publiziertes Werk Breve Tratado da Orthografia gegeben. Denn aufgrund des Verbots des Handbuchs von Feijó gab es mit Ausnahme des 1767 erschienenen sehr voluminösen und teuren Compêndio da Orthografia von Luís do Monte Carmelo kein vergleichbar verbreitetes und populäres Werk zur Orthographie. Pinheiros Bemühungen zur Etablierung des Orthographieunterrichts beschränkten sich jedoch nicht auf die alleinige Bereitstellung von didaktischem Material: In den ersten Jahren, von 1772 bis 1775 widmete er sich vornehmlich der Fortbildung der Grundschullehrer, mit dem besonderen Ziel, diesen die notwendigen soliden Orthographiekenntnisse zu vermitteln. Dies ist an sich schon sehr beachtlich, wenn man bedenkt, dass es vor der Entstehung der Escolas Normais im 19. Jahrhundert in Portugal weder eine Lehrerausbildung, noch irgendein System einer Weiterbildung gab. Ohne sich von der Lehrerfortbildung zu verabschieden, begann Pinheiro dann im vierten Jahr der Existenz der Academia Orthográfica mit Kursen, die ungebildeten Erwachsenen und Kindern nach Beendigung der Grundschule eine «filozofica Instrucçaõ da nossa Grammatica» vermitteln sollten (Cunha 1787a/Cunha 1804a). Diese Kurse von der Dauer eines Schuljahres (meist von November bis August) konnten gegen einmalige Bezahlung eines festgelegten Betrags je nach Teilnahmemöglichkeit morgens oder abends besucht werden, wobei Pinheiro auch die Möglichkeit des teureren Hausunterrichts nach Vorauszahlung anbot. Immerhin stellt Pinheiro in den Jahren 1802 und 1804 stolz fest, dass die Academia Orthográfica schon mehr als 6000 Schüler gehabt habe, was bis 1804 einer durchschnittlichen Menge von 215 Schülern in den bis dahin achtundzwanzig durchgeführten Kursen entspricht! Es liegt auf der Hand, dass der Sprach- und Rechtschreibunterricht gerade bei den sozial schlechter gestellten Klassen in Lissabon als wichtiger Beitrag zur Demokratisierung der Schrift mit der zeitgleichen Ermöglichung des sozialen Aufstiegs aufgrund der erlangten Kenntnisse zu sehen ist, wie sie für das gesamte Land ab den liberalen Reformen der 1820-er Jahre erreicht wurde. Wenngleich offensichtlich scheint, dass Pinheiro beim Unterricht für Portugiesen vor allem den Breve Tratado und die anderen metalinguistischen Werke wie die Conferências (1773-1789), die Conjugações Portuguezas (1791) oder die Géneros Portuguezes (1794, 1798) verwendet haben wird, ist nicht bekannt, ob dieselben Werke auch beim Sprachunterricht ‚Portugiesisch als Rolf Kemmler: Die Academia Orthográfica Portugueza (Kolloquiumsvortrag) 5 Fremdsprache’ für Ausländer zum Einsatz kamen oder wie dieser Unterricht ausgesehen haben mag. Dass es Nichtportugiesen gegeben hat, die in der Academia Orthográfica Kurse belegten, ist zumindest am Beispiel des Nordiren Mordecai Dove belegt. Bevor die jährlichen Kurse stattfanden, wurden die Schuljahre durch eine öffentliche feierliche Veranstaltung eröffnet, die meist in einer der Kirchen des Zentrums von Lissabon stattfanden. Bei diesen Gelegenheiten oblag es jeweils einem oder zweien der Schüler von Pinheiro, Thesen der Academia Orthográfica vorzustellen und unter Mitwirkung des Lehrers mit den anwesenden Personen zu diskutieren. Wie die konkrete Diskussion ausgesehen haben mag, lässt sich natürlich heute nicht mehr feststellen. Es scheint jedoch wahrscheinlich, dass die Proluzo?s als Veröffentlichung der bei diesen Veranstaltungen zu diskutierenden Thesen mehr Inhalte wiedergeben, als aufgrund des zeitlichen Rahmens der Veranstaltungen tatsächlich diskutiert werden konnten. Wenngleich die einzige zeitgenössische Bemerkung zu einer solchen Veranstaltung recht ironisch ist, wie man bei Text 3 leicht feststellen kann, bleibt dennoch offensichtlich, dass diese Veranstaltungen mit von Pinheiro angegebenen mehr als 3000 Personen (Cunha 1789b: 29-30; Kemmler 2004: 74) tatsächlich ein wichtiges kulturelles Ereignis im Lissabon der Zeit dargestellt haben müssen: Comtudo por descargo daminha consciencia lembrou-me dizer, que se otal Certame Grãmatical se-fizer em dia de Touros, naõ apparecerá na Praça hu só individuo; doque resultara aopobre Empresario, ou Festeiro hu grande, e grave perjuizo. Porquanto naõ haverá quem deixe de assistir ahu Acto Literario, que pêla pendantesca gravidade doseu Orthografico, eSintaxico Presidente, pela burlesca erudiçaõ dos dôis Grãmaticaes Athletas, epelas mofadoras instancias, e replicas dosmalignos Antagonistas, será mais divirtido, que hua tarde de Touros, emais Comico que todas as Comedias bufas do Theatro Italiano. Alem deque he bem possivel que opavimento da Sala da Travessa de S. Nicolao N. 25, naõ podendo com o enorme pêso de tanta gente se-abata; doque se-seguiraõ costelas fendidas, canelas quebradas, cabêças abertas, e grande numero d’algibeiras orfãs delenços, e caixas de tabaco. Em fim o catastrofico tumulto será infallivel: cumpre acautelá-lo (A.N.T.T., Cx. 48, doc. 70). Zur Unterstützung seines Unterrichts verfasste Pinheiro neben den metalinguistischen Werken, von denen der Breve Tratado immerhin zehnmal gedruckt wurde, etliche Werke didaktischer und literarischer Natur, die wohl sicherlich im Rahmen des Unterrichts Verwendung gefunden haben dürften. Daneben existiert noch eine große Anzahl von Werbeschriften, die in Flugblattform oder als Aushänge auf die Veranstaltungen der Academia Orthográfica hinweisen sollten, wie man in Tabelle 1 und Grafik 1 erkennen kann. Besonders interessant ist auch, dass Pinheiro darüber hinaus auch die Gazeta de Lisboa als Medium zur Werbung für seine Kurse und seine Veröffentlichungen nutzte, wie kaum ein anderer Zeitgenosse. 6 Rolf Kemmler: Die Academia Orthográfica Portugueza (Kolloquiumsvortrag) JAHR 1769 TITEL DRUCKER Breve Tratado da Orthografia, 1. Auflage Na Offic. de Joseph da Silva Nazareth Carta, e resposta em que se perguntaõ, e expoem as causas da Na Offic. de Joseph da Silva Nazareth ignorancia Diálogo em que se trata do vicio do jogo Na Offic. de Joseph da Silva Nazareth 1770 Breve Tratado da Orthografia, 2. Auflage Na Offic. de Joseph da Silva Nazáreth 1771 Breve Tratado da Orthografia, 3. Auflage Na Offic. de Joseph da Silva Nazareth 1773 Academia Orthográfica – Conferencia I, 1. Auflage Na Offic. de Francisco Sabino dos Santos 1778 Breve Tratado da Orthografia, 5. Auflage Na Of. de Francisco Sabino dos Santos 1779 Academia Orthográfica – Conferencia I, 2. Auflage Na Offic. de Francisco Sabino dos Santos Avizo Interessante a Nacionaes, e Estrangeiros (Flugblatt) [ohne Angabe der Druckerei] 1787 Proluzo?s da Grammatica Portuguesa (zur Eröffnung des 12. Kurses) Na Officina de Antonio Gomes 1788 Breve Tratado da Orthografia, 6. Auflage Na Officina de Antonio Gomes Academia Orthográfica – Conferencia I, 3. Auflage Na Officina de Antonio Gomes Academia Orthográfica – Conferencia II Na Officina de Antonio Gomes 1791 Conjugações Portuguezas Na Officina de Antonio Gomes 1792 Breve Tratado da Orthografia, 7. Auflage Na Officina de Antonio Gomes Géneros Portuguezes, 1. Auflage [unbekannte Druckerei] 1789 1794 Proluzo?s da Grammatica Portuguesa (zur Eröffnung des 19. Na Of. de Antonio Gomes Kurses) Fundamentos das Proluzo?s da Grammatica Portuguesa António Rodrigues Dantas: Arte Latina (1799) Na Offic. de Antonio Gomes Na Off. de Antonio Gomes 1795 [Apolice] Na Officina de Antonio Gomes 1796 Abertura do vigésimo primeiro curso (Aushang) Na Officina de Antonio Gomes Abertura do vigésimo segundo curso (Heft) Na Of. de Antonio Gomes 1797 (zweisprachiger Aushang in Französisch und Englisch) [Werk nicht erhalten] [Apolice] [Werk nicht erhalten] Academia Ortografica Portugueza 1798 - Handschrift - [Werk nicht erhalten] Géneros Portuguezes, 2. Auflage Na Officina Patriarcal Abertura do vigésimo terceiro curso (Aushang) Na Officina Patriarcal Adivinhações Curiózas, 1. - 3. Heft Na Officina Patriarcal 1799 Adivinhações Curiózas, 4. - 8. Heft 1800 Adivinhações Curiózas, 9. Heft [unbekannte Druckerei] Abertura do vigésimo sexto curso (Aushang) [unbekannte Druckerei] Reino da Poezia, 1. Auflage Na Officina de Joaõ Procopio Correa da Silva 1801 Adivinhações Curiózas, 10. Heft [unbekannte Druckerei] Adivinhações Curiózas, 11. Heft [Werk nicht erhalten] Advertencia (Aushang) 1802 Adivinhações Curiózas, 1. Heft, 2. Auflage Abertura do vigésimo sexto curso (Aushang) 1803 Na Officina Patr. de Joaõ Procopio Correa da Silva [unbekannte Druckerei - Werk nicht erhalten] [Werk nicht erhalten] Proluzo?s da Grammatica Portuguesa (zur Eröffnung des 28. [unbekannte Druckerei] Kurses) Adivinhações Curiózas, 12. Heft Certame Grammatical Géneros Portuguezes, 3. Auflage 1804 [Werk nicht erhalten] Abertura do vigésimo nono curso (Aushang) Adivinhações Curiózas, 5. Heft, 2. Auflage - Handschrift - [unbekannte Druckerei - Werk nicht erhalten] [Werk nicht gedruckt] - Handschrift - [Werk nicht erhalten] Na Officina de Antonio Rodrigues Galhardo [unbekannte Druckerei - Werk nicht erhalten] 7 Rolf Kemmler: Die Academia Orthográfica Portugueza (Kolloquiumsvortrag) Memórias da Academia Orthográfica Portugueza, 1. und 2. Na Off. de Antonio Rodrigues Galhardo Heft, 1. Auflage Abertura do trigésimo curso (Aushang) 1805 Na Officina de Antonio Rodrigues Galhardo Adivinhações Curiózas, 13. - 14. Heft [unbekannte Druckerei - Werk nicht erhalten] Diccionário das Palavras Equívocas [Werk nicht erhalten] Abertura do trigésimo Primeiro curso (Aushang) 1806 1807 1808 Proluzo?s da Grammatica Eröffnung des 31. Kurses) Portuguesa Portuguesa (zur Na Nova Officina de Joaõ Rodrigues Neves Reino da Poezia, 2. Auflage Na Nova Officina de Joaõ Rodrigues Neves Abertura do trigésimo segundo curso (Aushang) Na Nova Officina de Joaõ Rodrigues Neves Thezes da Grammatica Portugueza Na Nova Officina de Joaõ Rodrigues Neves Memórias da Academia Orthográfica Portugueza, 1. Heft, 2. Auflage [Werk nicht erhalten] Verdadeira definiçaõ do homem pobre [Werk nicht erhalten] Reino da Poezia, 3. Auflage [Werk nicht erhalten] Declaração da Academia Pinheiriense (Aushang) Na Nova Officina de Joaõ Rodrigues Neves Filosophia vulgar Na Offic. de Joaõ Rodrigues Neves (Aushang) 1809 [Werk nicht erhalten] Grazinação Frenética de dois ginjas carecas Na Nova Offic. de João Rodrigues Neves Grazinação Frenética de dois ginjas carecas, 2. Auflage 1810 Na Officina Nunesiana (Aushang) [Werk nicht erhalten] [Werk nicht erhalten] Adivinhações Curiózas, neues Heft [Werk nicht erhalten] Genealogia Paperifera Na Nova Officina de João Rodrigues Neves Breve Tratado da Orthografia, 8. Auflage Na Typografia Lacerdina Avizo [von Francisco Pinheiro Freire da Cunha] Na nova impressaõ da Viuva Neves e Filhos 1814 Breve Tratado da Orthografia, 8. Auflage Na nova impressaõ da Viuva Neves e Filhos 1815 Breve Tratado da Orthografia, 9. Auflage Na Typografia Lacerdina 1827 Reino da Poezia, 3. Auflage Na imp. de João Nunes Esteves [nicht erhalten] 1811 1813 Grafik 1 Panorama von Pinheiros Herausgebertätigkeit (1769-1811) 2 15 3% 22% 24 35% Linguistik Didaktik und Literatur Werbung Andere 28 40% Was nun die linguistischen Veröffentlichungen Pinheiros anbelangt, lässt sich zunächst feststellen, dass selbst Werke wie der Breve Tratado sich nicht auf die Darstellung der Rechtschreibregeln Rolf Kemmler: Die Academia Orthográfica Portugueza (Kolloquiumsvortrag) 8 beschränken, sondern durchweg auch Themen aus anderen Bereichen der portugiesischen Grammatik Berücksichtigung finden. Die Überschneidung zwischen den beiden metalinguistischen Beschreibungsformen berechtigt immerhin dazu, dass gerade der auf einen ersten Blick als Orthographietraktat wirkende Breve Tratado da Orthografia als Hybridgrammatik angesehen werden kann, da Teile des Werks eine zwar kurze aber vollständige und systematische Beschreibung der Wortarten enthalten, wie dies in der in Tabelle 2 dargestellten Systematik gefordert wird. GRAMMATIK (im engeren Sinne) Monographie mit erklärt metagrammatikalischem Inhalt, die eine vollständige und systematische Beschreibung der Wortarten enthält HYBRIDGRAMMATIK Monographie, die nur einem der Teile der Grammatik gewidmet ist, aber eine vollständige und systematische Beschreibung der Wortarten enthält LINGUISTISCHE ABHANDLUNG Monographie, die einem der Teile der Grammatik gewidmet ist und die eine unvollständige oder unsystematische Beschreibung der Wortarten enthält Bei der sprachwissenschaftlichen Untersuchung von Pinheiros metalinguistischen Werken wird klar, dass er sich innerhalb der Tradition der Werke seiner unmittelbaren Vorgänger bewegt, deren Doktrin er aber nach seinen eigenen didaktischen und inhaltlichen Vorstellungen abwandelt. So wendet er im Bereich der Orthographie ein System an, dass sich zwar an das von den meisten Orthographen wie Feijó, Lima und Monte Carmelo propagierte Mischsystem der ‚ortografia usual’ anlehnt, nicht jedoch ohne dies vereinfachend zu verbessern und zu systematisieren. Dazu gehört auch die Einführung einer systematischeren Akzentsetzung auf betonten Silben, wodurch Pinheiro sich deutlich von der reinen Homographenunterscheidung seiner Vorgänger absetzt. Ziel dieser spezifischen Ausprägung von Rechtschreibregeln war die Vermittlung eines möglichst einfachen und kohärenten Orthographiesystems an die Lernenden. Was die Grammatik anbelangt, wird deutlich, dass der Verfasser sich in seinem ältesten Werk, dem handschriftlichen nicht datierten Novo Methodo de Grammatica Portugueza an den Regras da Lingua Portugueza von Argote (21725) und der Gramática Latina (11758) von Verney orientiert. Die Informationen über die portugiesische Grammatik im Breve Tratado, in den Conjugações Portuguezas und in den Géneros Portuguezes bewegen sich weitgehend konservativ im Rahmen der traditionellen lateinisch-portugiesischen Grammatik. Anders sieht es jedoch mit den linguistischen Thesen aus, die in den Proluzo?s vorgestellt wurden. Besonders deutlich wird der innovative Charakter der Proluzo?s an der Entwicklung des Wortartensystems. Im Novo Methodo geht Pinheiro zunächst noch von einem dreigeteilten System mit sechs Unterkategorien aus, das weitgehend Sanctius und Verney folgt, indem durch Deklination Rolf Kemmler: Die Academia Orthográfica Portugueza (Kolloquiumsvortrag) 9 und Konjugation flektierbare von unflektierbaren Klassen unterschieden werden, wie Grafik 2 darstellt. Grafik 2: (nach Cunha Methodo s.d.: 23, Fußnote 1): NOME Pronome Partecipio VERBO P A R T I CULAS Prepoziçaõ Adverbio Interjeiçaõ Conjunçaõ In Grafik 3 hingegen ist das für den Breve Tratado überarbeitete System von drei Wortarten und nur noch fünf Unterkategorien zu erkennen. Die Neuordnung ist logisch, da die Wortart ‚Adverb’ die ‚Partikel’ als Hauptbegriff für die unflektierbaren Wortarten ablöst. Grafik 3: (nach Cunha 1792: 3): NOME Pronome Particípio VERBO ADVERBIO Prepoziçaõ Interjeiçaõ Conjunçaõ Im Jahr 1794 wird erstmals eine umfassendere Änderung an diesem System vorgenommen, indem Pinheiro die schon von Aristoteles vorgesehene Unterscheidung zwischen ‚Substanz’ und ‚Eigenschaft’ in den Unterbegriffen ‚Substantivo’ und ‚Adjectivo’ einführt. Mögliche Quelle dieser in Grafik 4 dargestellten Unterscheidung könnte die Rückbesinnung auf Aristoteles im Werk Hermes von James Harris sein, das in der zeitgenössischen portugiesischen Sprachwissenschaft durchaus Rezeption fand. Interessant ist zudem, dass Pinheiro seit dieser Zeit ganz allgemein die Existenz des Pronomens (sei es als Wortart oder Unterkategorie) in Frage stellt. Grafik 4: (nach Cunha 1794d: 14-15): Rolf Kemmler: Die Academia Orthográfica Portugueza (Kolloquiumsvortrag) 10 NOME SUBSTANTIVO ADJECTIVO Particípio (Pronome) VERBO ADVERBIO Prepoziçaõ Interjeiçaõ Conjunçaõ Während sich die bisherigen Kategorisierungsversuche im Rahmen der lateinisch-portugiesischen Grammatiktradition bewegen, stellt die in Text 4 festgelegte Neuordnung der Wortarten eine Innovation durch Pinheiro dar: Text 4: III. Partes da Oraçaõ duas: Nome, e Verbo, porque o Adverbio naõ deve constituir Parte essencialmente distincta do Verbo. IV. O Particípio se inclue na classe do Adjectivo, e no Advérbio todas as suas subdivizões, ou Partículas (Cunha 1807d: [III]). Aus dem traditionellen System mit drei Wortarten und den entsprechenden Unterkategorien wurde ein zweigliedriges System, in dem die Glieder nun nicht mehr aufgrund des morphologischen, sondern aufgrund des logisch-semantischen Kriteriums unterschieden werden (also nicht mehr flektiert gegenüber unflektiert, sondern Substanz/Eigenschaft gegenüber Handlung). Wenngleich dieses in Grafik 5 dargestellte zweigliederige System keinerlei Entsprechung innerhalb der modernen lateinisch-portugiesischen Grammatiktradition hat, scheint es jedoch (wahrscheinlich indirekt durch Harris 1771) auf der bei Platon und Aristoteles vorgenommenen Unterscheidung von Onoma und Rhema zu beruhen. Grafik 5: (nach Cunha 1807d: [III]): NOME SUBSTANTIVO ADJECTIVO Particípio VERBO Adverbio Prepoziçaõ Interjeiçaõ Conjunçaõ Rolf Kemmler: Die Academia Orthográfica Portugueza (Kolloquiumsvortrag) 11 Es lässt sich also deutlich feststellen, dass in Pinheiros linguistischen Handbüchern die herkömmliche Doktrin der zeitgenössischen Grammatik Vorrang hat, diese Werke für den Sprachunterricht also für Kontinuität stehen. Dafür weisen die für die öffentliche Diskussion sprachwissenschaftlicher Themen vorgesehenen Proluzo?s Innovationen auf, die eindeutig den persönlichen linguistischen Vorstellungen Pinheiros entsprechen und zumindest stellenweise in der portugiesischen Tradition einmalig sind. Dass sich die im Unterricht und die in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung präsentierten Vorstellungen über die Sprache unterschieden, ist aber kein Bruch, sondern Konsequenz der von Pinheiro angestrebten Vielschichtigkeit der Academia Orthográfica. So sollten die im Unterricht vermittelten Inhalte so einfach wie möglich sein, während die Diskussionen auf den Eröffnungsveranstaltungen sich eindeutig an ein anderes Publikum richteten, als die Kurse selbst. Im Ergebnis kann deshalb vorbehaltlos festgestellt werden, dass die Academia Orthográfica Portugueza einzigartig in der Geschichte der portugiesischen Sprachwissenschaft bleibt und den Vergleich mit der später entstandenen Academia das Ciências de Lisboa keineswegs zu scheuen braucht. Wenngleich die Academia Orthográfica bislang weitgehend vergessen war, sollte dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese während ihrer Wirkungsdauer eine wichtige Instanz war, die zweifelsohne den Umgang mit der portugiesischen Orthographie und auch der Sprache über mehrere Generationen hinweg geprägt hat.